Würzburg

Januar 2018

Alte Mainbrücke in Würzburg, Mühlrad
Alte Mainbrücke

Im Januar verbringe ich ein Wochenende in Würzburg. Wein, Weib und Gesang stehen auf dem Programm. Das Beste aber ist das Essen.

Das Hungern hat ein Ende

Ich habe nun seit 24 Stunden nichts gegessen. Diese Tortour nennt man verschärftes Intervallfasten. Ich möchte auf diese Weise mein Körpergewicht reduzieren. Das Prinzip ist einfach. Man nimmt nur noch einmal täglich Nahrung zu sich, darf dann aber alles essen worauf man Lust hat. Und ich habe Lust: Lust auf deftige fränkische Küche. Bei solchen Gaumenfreuden ist das Restaurant Stachel in Würzburg eine sehr gute Adresse. Schon seit Stunden freue ich mich auf die gemütliche Atmosphäre, die mich dort erwartet. Immer wenn mir der Magen knurrt denke ich an das herrliche Ambiente der historischen Gaststube. Aushalten ist die Devise. Bald ist es soweit. Nach einem harten Arbeitstag, einer längeren Autofahrt und mehreren Staus schaffe ich es auf die letzte Minute, kurz bevor der Küchenchef des Stachel Feierabend macht. Meinem kulinarischen Glück sollte nun nichts mehr im Weg stehen. Doch kaum habe ich die Gaststube betreten, stelle ich mit Schrecken fest, dass Reservieren im Stachel grundsätzlich eine gute Idee ist. Das Haus ist selbst zu der späten Stunde noch voll besetzt. Der freundliche Wirt findet trotzdem ein Platz für mich und mein Hungern hat ein Ende.

Mainufer, Kirchturm. Frau im roten Kleid mit roten Luftballons, blauer Himmel
Am Mainufer

Automatenwein und vormittäglicher Alkoholgenuss

Vor dem Einschlafen im Hotel gönne ich mir einen Schluck Wein, den ich mir zu später Stunde auf eher unkonventionelle Weise besorge. Würzburg ist einer der wenigen Orte auf der Welt an dem der Wein selbst aus einem Snackautomaten genießbar ist. Am nächsten Tag fällt mir noch eine andere alkoholische Besonderheit auf: Wein to go. Schon am Vormittag stehen viele Menschen auf der alten Mainbrücke, trinken edle Tropfen und trotzen der Kälte. Der Wein wird durch ein Fenster glasweise im Strassenverkauf angeboten.

Das Menschen im Freien vormittags Alkohol trinken kenne ich eher aus dem Rheinland. Dort sieht man an sogenannten Trinkhallen Männer und Frauen stehen. In der einen Hand eine Bierdose, in der anderen eine qualmende Zigarette. Diese Bilder assoziiere ich dann mit Alkoholismus und Nikotinabusus. Hier in Würzburg hingegen strahlen die Trinkenden Stil und Lebensfreude aus.

Festung Marienberg. Abendstimmung
Festung Marienberg

Alt und Neu

Die alte Mainbrücke bietet ein schönes Ambiente. Das Wasser treibt ein historisches Mühlrad an und das Flusspanorama wird von einem grossen Heizkraftwerk beherrscht. Altes und Neues wirken hier harmonisch. Das fällt mir auch im Dom auf, wo moderne und barocke Elemente eine Einheit bilden. Besonders berührt mich eine Pietá. Die spätmittelalterliche Darstellung der Mutter Gottes steht vor einem modernen Bild, einer gelben Fläche auf die die Figur einen diffusen Schatten wirft. Beide Kunstwerke interagieren so miteinander und bilden ein spannendes Ensemble. Menschen aller Altersgruppen entzünden hier Kerzen und die Gebete der Gläubigen erzeugen eine besondere Atmosphäre der Spiritualität. Es ist so als könnte man das Bitten und Hoffen der Menschen physisch spüren. Würzburg ist eine sehr katholische Stadt.

3 Schornsteine, kahle Bäume, Spazierweg, Mainufer, blauer Himmel
Heizkraftwerk

Spiessig und Spassbefreit

Nicht so spirituell soll es dann im Mainfranken Theater zugehen. Offenbachs «Schöne Helena» steht auf dem Spielplan. Wikipedia und mein Opernführer versprechen eine frivole Gesellschaftssatire mit witzige Dialogen. Ein Versprechen, das leider nicht eingelöst wird. Die Dialoge, in einem merkwürdigen Mischmasch aus Französisch und Deutsch vorgetragen wirken hölzern. Die Inszenierung kommt spassbefreit und ohne jede Frivolität daher. Offenbach schrieb seine Operetten für eine hedonistische Oberschicht, die sich über die Moralvorstellungen des Bürgertums lustig machte. Diese Bürger provozierte Offenbach mit Nacktheit und Ehebruch. Im 19. Jahrhundert funktionierte das sehr gut. Heute sieht man das in der Mittelschicht nicht mehr so eng.

Die Regisseurin des Stücks, Pascale-Sabine Chevroton hatte da wohl eine andere Adressatenanalyse gemacht. Sie wollte dem Würzburger Publikum weder Nacktheit noch Gesellschaftssatire zumuten. Statt dessen inszenierte sie eine spiessige Operette. Ihre Regieeinfälle, die witzig sein sollen, wirken auf mich befremdlich misslungen.

Kunst in Würzburg

Ein Missverständnis

Frau Chevroton macht aus dem Helden Paris James Bond, der von der Göttin Venus, die die Geheimdienstchefin M darstellen soll, eine Pistole bekommt. Sein Auftrag ist es die schöne Helena zu rauben. Die Handlung verlegt sie vom mythologischen Griechenland in ein modernes und mondänes Kurbad. Ich habe das Alles missverstanden. Aufgrund der Statur des Paris und wegen seiner geschmacklosen Kleidung konnte ich den Bezug zu der durchtrainierten Stilikone Bond nicht herstellen. Zuerst glaubte ich Paris soll einen Kleinkriminellen darstellen, der in einem Vorstadtpuff Geld eintreibt. Denn das Seebad wirkt, mit den billigen Gipssäulen so überhaupt nicht mondän. Das Ensemble klärt später das Missverständnis mit eindeutigen James-Bond-Gesten auf. Überhaupt geben sich Orchester, Chor und die anderen Interpreten redlich Mühe, stehen aber bei dieser Inszenierung auf verlorenen Posten. Der frivole Höhepunkt, ist die von Offenbach vorgesehene Nacktszene, die die schöne Helena in einem hässlichen fleischfarbenen Trainingsanzug absolviert. Ja, Zeit und Ort sind anders als bei der Premiere in Paris. Da zog la belle Hélène, interpretiert von einer stadtbekannten Kurtisane, so richtig blank. Allerdings konnte die Dame nicht gut singen. Eine Kernkompetenz, über die die Helena in Würzburg durchaus verfügt.

Nur noch Wein

Nach der Vorstellung möchte ich guten Wein trinken und etwas dazu essen. Snacks gibt es zu meinem Erstaunen in keinem der Weinlokale. Keines der Köstlichkeiten ist zu finden, die man normalerweise in Würzburg bei Wein geniessen darf. Selbst ganz profane Erdnüsse und Salzstangen kann ich nicht bekommen. Würzburg leidet unter akutem Knabbernotstand. So sehr ich mich auch bemühe, Würzburgs Weinlokale sorgen dafür, dass ich mein Intervallfasten brav wieder aufnehme.

Am Mainufer

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