Royal Enfield Interceptor

Damian ist jung und bis über beide Ohren in eine Vespa-Fahrerin verliebt. Eine Liebe, die Damian zum Royal-Enfield-Enthusiasten gemacht hat. Und das ist eine Beziehungsnebenwirkung, die so nicht von seiner Freundin beabsichtigt war.

Wir treffen uns mit Damian auf der Staffelegg, einer fünfzehn Kilometer langen Passstrasse im Jura-Gebirge. Die landschaftlich reizvolle Strecke verbindet die Stadt Aarau mit dem kleinen Weinbaudorf Schinznach. 

Wir, dass sind meine beste Freundin Stefanie, mein Freund Gallus und ich. Dabei haben wir Video- und Fotoequipment: Mehrere Kameras und einen Haufen Technik, mit der wir Damians Interceptor in Szene setzen wollen. 

Damians Freundin meint dazu, dass wir nicht mehr alle Tassen im Schrank haben. Und vielleicht hat sie mit der lakonischen Diagnose nicht ganz unrecht. Als pragmatische Vespa-Fahrerin kann sie die Leidenschaft für Royal-Enfield-Motorräder einfach nicht nachvollziehen. 

Für Damian ist das kein Problem. Leben und leben lassen ist seine Devise. Und wie er vom Sozius der Vespa auf den Sattel einer Royal Enfield gekommen ist, erzählt er in dem kurzen Video.

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Sein Motorrad ist ein kleines Schmuckstück. Die Maschine gehört zu den grossen Würfen in der jüngeren Geschichte der Traditionsmarke Royal Enfield. Die Interceptor ist das erste Zweizylinder-Motorrad des Unternehmens seit über fünfzig Jahren.

Enfield ist in Besitz des indischen Unternehmen Eicher Motors. Bei der Einführung der Interceptor betonte Geschäftsführer Siddhartha Lal die Bedeutung des Fahrzeugs: 

“Das Projekt mit den 650er Zweizylindern ist das grösste und wichtigste in meiner Karriere. Es ist möglicherweise sogar der wichtigste Moment in der glanzvollen Geschichte von Royal Enfield.”

Ersteres mag stimmen. Bei letzterem widerspreche ich dem smarten Direktor. Royal Enfield hat legendäre Motorräder auf den Markt gebracht und die neue Interceptor ist eine von vielen in dieser langen Tradition. Nicht mehr, aber auch nicht weniger.

Siddhartha Lal ist ist ein Vollblut-Manager und in dieser Berufsgruppe gehört Grossspurigkeit nun einmal zum Geschäft. 

Das ist bei Damian anders. Er ist Zahnarzt von Beruf und hier sind andere Qualitäten wichtiger. 

Damian erlebe ich als angenehm bescheiden. Vor allem aber als begeisterungsfähig. Mit leuchteten Augen berichtet er von seinen Erfahrungen mit der Interceptor.

Es ist sein einziges Fahrzeug und neben den öffentlichen Verkehrsmitteln und einem Fahrrad benötigt er auch kein weiteres Fortbewegungsmittel. Das Leben ist einfach zu kurz, um unnötig Auto zu fahren. 

Damian mag klassische englische Motorräder und die Interceptor ist ein indisches Töff in bester britischer Tradition.

Der 4-Takt-Zweizylinder mit 647,95 Kubikmeter Hubraum und einer maximalen Leistung von 34,9 Kilowatt bringt genügend Kraft, um auf Schweizer Landstrassen Spass zu haben.

„Made like a gun“ – gebaut wie eine Waffe – war lange Zeit Royal Enfields Leitspruch. Die Zeiten haben sich geändert. Die Interceptor ist eher „Made for Peace and Happyness“. Denn inspiriert ist das Motorradkonzept von den spassorientierten und relaxten Töffs aus den 1960er-Jahren. 

Der klassische, tränenförmige Tank und die gesteppte Doppelsitzbank sehen ziemlich schick aus.

Allerdings ist der Sozius der Interceptor nur für kleine und zierliche Menschen gebaut. Und daneben ist Beweglichkeit auch noch eine Anforderungen, die Beifahrerinnen und Beifahrer unbedingt mitbringen sollten. 

Ich habe mit 170 Zentimeter Körpergrösse und 80 Kilogramm Lebendgewicht auf dem Sozius der Interceptor gesessen. Es war einer der furchtbarsten Erfahrungen meines Lebens. Der Versuch meine Beine auf den Fussrasten zu positionieren endete mit furchtbaren Schmerzen und einem Hexenschuss, der mich in die nächste Notaufnahme befördert hat. Im Anschluss musste ich zwei Wochen lang an Krücken gehen. Aber vielleicht eigne ich mich auch grundsätzlich nicht zum Beifahrer. Und mal ehrlich: Wer nimmt schon einen alten, steifen Mann als Sozius mit. 

Als Fahrer findet Damian die Interceptor sehr bequem. Er ist 190 Zentimeter gross und an die 100 Kilogramm schwer. Trotz der beeindruckenden Körpergrösse bilden Damian und die 112 Zentimeter hohe Maschine eine harmonische Einheit.

Damian schätzt die aufrechte Sitzposition und den breiten Lenker. Beides ermöglichen ihm ein absolut entspanntes Fahren. 

Wer die 650er Interceptor selber ausprobieren möchte, dem empfehle ich einen Besuch bei der KSR Swiss in Happerswil. Hier im schönen Thurgau kann man das Motorrad kostenlos probefahren.

Ich habe bei dem Motorradhändler meine Maschine gekauft und bin mit Beratung und Service sehr zufrieden.

Einmal konnte ich dort die Continental GT 650 als Fahrer testen. Dieser Café-Racer ist der sportlichere Cousin der Interceptor. Im Gegensatz zu der traumatischen Soziuserfahrung war das richtig cool. Vielleicht sollte Damian seine Freundin mal hierhin entführen? So zu einem romantischen Date mit einer Royal-Enfield-Probefahrt für sie.

Ich könnte mir vorstellen, dass Damians Freundin dann mehr Verständnis aufbringt, wenn man mit Stativen, Kameras und Drohnen einer Royal Enfield die Ehre erweist. 

Probefahren in Happerswil

KSR Swiss GmbH
Bucherstrasse 6
8585 Happerswil/TG

071 648 28 06
info(at)ksr-swiss.ch

Eine kurze Geschichte der Royal Enfield Interceptor

Der Urahne der Interceptor war ein technische Katastrophe, die damals liebevoll Connie genannt wurde. Offiziell kam das Motorrad als Royal Enfield Constellation auf den Markt. 

Es war das Frühjahr 1958. Die Kundschaft verlangte nach leistungsstarken Motorrädern und Royal Enfield versuchte diesem Ruf zu folgen. 

Allerdings gehörten Leistungsstärke nicht zu den Kernkompetenzen des Motorradherstellers. Royal Enfield verstand sich auf kostengünstig produzierte Zweiräder. Motorräder, die genügsam, robust und leicht zu reparieren waren. Motorräder, mit denen man Soldaten in den Krieg und Arbeiter in die Fabrik schicken konnte. Hinter dem Werbeslogan „Made like a Gun“ steckt mehr grausame Wahrheit, als manche Royal-Enfield-Nostalgiker zugeben wollen. 

Die Käuferschaft, auf die die Constellation abzielte, war eine andere. Es waren Menschen, die weder in den Krieg, noch in die Fabrik wollten. Diese Menschen suchten Fahrspass und den holten sie sich mit Maschinen wie der Triumph Bonneville, der BSA Super Rocket und der Norton Dominator. 

Die Constellation sollte in dieser Liga mitmischen, woran Royal Enfield kläglich scheiterte. Technisch muss das Ding eine Zumutung gewesen sein und die Briten reagierten darauf mit ihrem landestypischen Humor. Aus dem Leitspruch „Made like a gun“ wurde der Slogan „Blow Up Like a Bomb“. 

Eine Motorrad, von dem die Kundschaft sagt, dass es wie eine Bombe explodiert, sollte die Hersteller unbedingt zum Nachdenken anregen. Und das tat man auch bei Royal Enfield. Die Konstrukteure bekamen den Auftrag das Konzept des leistungsstarken Motorrads grundlegend zu überarbeiten. Heraus kam die 700er Interceptor. Das war im Jahr 1960. Gebaut wurden die Maschinen erst einmal für den amerikanischen und kanadischen Markt. Die heimische Kundschaft konnte sich noch ein wenig mit der Constellation herumschlagen. 

Das änderte sich 1962. Denn da legte Royal Enfield mit der Interceptor der Serie 1 nach. Hier übertrafen sich die Ingenieure selbst. Aus den 692 Kubikzentimetern des Vorgängers wurden satte 736. Die dynamisch ausgewuchtete Kurbelwelle machte die Maschine zu einem der laufruhigsten britischen Twin-Motoren aller Zeiten.

1967 wurde dann mit den beiden Untermodellen GP7 und TT7, die Serie 1a eingeführt. In den USA hatten die Modelle einen ziemlich coolen Chromtank. Die wichtigste Neuerung war aber die Spulenzündung, welche den Magnetzünder überflüssig machte.

Eine grundlegende Überarbeitung des Motors wurde bei der Serie 2 vorgenommen. Die Maschine verfügte nun über einen Nasssumpfmotor, um den Ölfluss zur Kurbelwelle zu verbessern. Die CB-Punkte hatte man an das Ende der Auslassnockenwelle verlegt und der Steuergehäusedeckel wurde entsprechend umgestaltet. Diesen Motor verwendeten die Hersteller bis zum Ende der Produktion im Jahr 1970.

Royal Enfield stellte noch einen Prototyp der Serie 3 her. Es sollte die Interceptor 800 werden. Ein Motorrad mit beeindruckenden 778 cm3. Aber noch vor der Massenproduktion wurde die Fabrik geschlossen. 

Die britische Motorradmarke Royal Enfield starb in Europa einen jämmerlichen Tod, wurde dann aber in Indien glorreich wiedergeboren. Genauso wie die legendäre Interceptor.

Anmerkung: My englisch is really horrible. Es ist also gut möglich, dass ich trotz Übersetzungsprogramm die Geschichte der Royal Enfield Interceptor nicht richtig verstanden habe. Der Text ist also mit Vorsicht zu geniessen. Und überhaupt ist mein mechanisches Grundverständnis derart rudimentär, dass ich sowieso nur die Hälfte von dem begreife, was ich hier zu den technischen Finessen vortrage. Was zum Kuckuck sind zum Beispiel CB-Punkte? Und wozu ist diese Auslassnockenwelle gut? Die Welt ist für einen ungebildeten Menschen wie mich voller mysteriöser Geheimnisse. 

Quellen: Walker (2003) Royal Enfield – The Complete Story, Pullen (2021) Royal Enfield – A Complete History, englischsprachige Wikipedia (Zugriff: April 2023)

Technische Daten

Alle Angaben sind ohne Gewähr. Als Quelle wurde das Bordbuch benutzt. Wichtige Informationen für unterwegs sind zu erst aufgelistet: Reifendruck, Kraftstoff, Schmiermittel und Identifizierungsnummern.

Hersteller
Royal Enfield
Modell
Interceptor 650
Abgasnorm 
Euro V 

Reifendruck

Solo vorne32 psi 
Solo Hinten36 psi
Sozius vorne32 psi 
Sozius hinten39 psi

Reifengrösse

Vorderreifen
100/90-18 M/C 56H 
CEAT ZOOM CRUZ F 
100/90-18 M/C 56H 
PIRELLI PHANTOM SPORTS 
Hinterreifen
130/70-18 M/C 63 H 
CEAT ZOOM CRUZ 
130/70-18 M/C 63 H 
PIRELLI PHANTOM SPORTS 
Hinweis
Auf Felgen mit Schlauch dürfen keine schlauchlosen Reifen montiert werden. Felgen für schlauchlose Reifen dürfen nicht mit Schläuchen bestückt werden.

Kraftstoff

Benzin
Bleifrei
Ethanolgehalt 
E10 oder weniger 
lnduktion 
Kraftstoffeinspritzung 
Kraftstofftankinhalt 
ca. 13,7 l
Warnung bei zu niedrigem Kraftstoffstand 
ca. 2,9 l
Zu wenig Kraftstoff
ab ca. 0,75 l

Motoröl

Klasse 
10W-50 nach API SL (oder höher) JASO MA2, wie zum Beispiel ELF MOTO4 TECH 10W 50 (Vollsynthetisch)
Kapazität
Erste Trockenfüllung: 3,9 L 
Routinemäßiger Ölwechsel: 3,1 L 

Sonstige Schmiermittel

Gabelöl
2W 25 HPCL 
473 ml pro Gabel 
Bremsflüssigkeit
DOT 4 
Vorne: 50 ml / Hinten: 100 ml 
Hinweis
Bremsflüssigkeit DOT 4 nicht mit anderen Bremsflüssigkeiten mischen!

Identifizierungsnummern

Fahrgestellnummer
Auf dem Lenkkopfrohr rechts eingestanzt.
Typenschild
Am Rahmen angebracht.
Motornummer
Über dem Ölfilter angebracht.

Motor

Motortyp 
Zweizylinder, 4-Takt, SOHC 
Bohrung 
78 mm 
Hub 
67,8 mm 
Hubraum 
647,95 cc 
Verdichtungsverhaltnis 
9,5:1 
Max. Leistung 
34,9 kW @ 7150 rpm 
Max. Drehmoment 
52,3 Nm @ 5150 rpm 
Leerlaufdrehzahl 
1200 ± 100 rpm 
Anlasser 
elektrisch 
Luftfilter 
Papierelement 
Schmierung 
Nasssumpf mit pumpen betriebener Lieferung 
Getriebegehäuse 
6-Gang, konstante Vezahnung 
Kraftstoffversorgung
Einspritzung
Kühlung
Luftkühlung

Zündsystem

Zündung 
Digitale Zündung 
Zündsystem 
11,25oBTDC 
Zündkerze 
Bosch – UR5CC 
Elektrodenabstand 
0,7 mm bis 0,8 mm 

Kraftübertragung

Kupplung 
Nass, Mehrscheiben 
Primärantrieb 
Gang 
Primärverhaltnis 
2,051:1 
Getriebegehäuse 
6-Gang, konstante Verzahnung 
Getriebeübersetzungen 
1. Gang 2,615:1 
2. Gang 1,813:1 
3. Gang 1,429:1 
4. Gang 1,190:1 
5. Gang 1,040:1 
6. Gang 0,962:1 
Sekundärantrieb 
Kettenräder und Kette (5/8)
Sekundärverhältnis 
2,533:1 

Fahrgestell

Rahmen 
Doppelschleifenrahmen 
Lenkschloss
eingebaut
Federung
Vorne: 41 mm Vorderradgabel, 110 mm Federweg 

Single Coil-Over-Stoßdämpfer, 88 mm reisen 
Bremsflüssigkeit 
Zweikanal Schwimmsattel 
Vorne: 320 mm disc, ABS 
Hinten: 240 mm disc, ABS 

Elektrik

System 
12V – DC 
Generator 
Drehstromlichtmaschine 
Lichtmaschinenleistung 
156 W @ 1100 rpm 
Batterie 
12V – 12 Ah VRLA 
Frontscheinwerfer 
FPL 1,55 W LED, Abblend licht 12,1 W, Fernlicht + Abblendlicht 14,2 W, Ab blendlicht + Fernlicht + FPL 15,7 W 
Rücklicht/Schlussleuchte 
12V, P21/5W (Halogen) 
Blinker 
12V, 10W 
Tachometer 
Digitales Kombiinstrumemit LCD-Anzeige 
Hupe 
12 V/2,5 A (Zweiton) 
Anlasser
12 V, 0,8 kW 
Anschluss für das Ladegerät 
USB 2.0 – 5 V 2 A Ausgang 

Masse

Lenkkopfwinkel 24 Grad 
Felgengröße Vorderrad (Alu- & Speichenrad) 18 M/C x MT 2,50 
Felgengröße Hinterrad (Alu- & Speichenrad) 18 M/C x MT 3,50 
Länge 2119 mm 
Breite 815mm 
Höhe 1120 mm 
Radstand 1398 mm 
Bodenfreiheit 174 mm 
Leergewicht mit 90 % Kraftstoff und Öl217 kg 
Amtlich zulässiges Gesamtgewicht 400 kg 

Bildergalerie

Comments

    • Ehrlich gesagt, kann ich persönlich diese Begeisterung nicht wirklich nachvollziehen. Aber hier in Indien ticken alle Männer so und jeder träumt wohl von einer Royal Enfield (auch viele Frauen finden diese Kultmaschinen toll 😉) Scheinbar gibt es auch Wartezeiten, wenn man sich so ein Stück kaufen möchte. Liebe Grüße in die Schweiz 🇨🇭 Irène

      • Ja, liebe Irène, so ein Stück Metall ist nicht jeder Frau‘s Sache. 🙂 Vielen Dank für dein Stimmungsbild aus Indien 🇮🇳. Enfield ist natürlich auch ein Stück nationale Identität und etwas worauf man dort stolz sein darf. Herzliche Grüsse nach Madras, der Heimat der indischen Enfield.

  1. Hallo,
    … ich selber kann die Begeisterung schon absolut verstehen 😍 – Ich habe mir vor knapp einem Jahr mit 56 das Schwestermodell – eine nagelneue rote Continental GT 650 – zugelegt. Eigentlich war ich ja bis dahin ein eingefleischter Oldtimer-Fahrer (DKW RT 125 Bj.1955) und hätte mir niemals(!) vorstellen können, so ein hypermodernes Motorrad, wie es sie heute (fast) nur noch zu kaufen gibt, zu fahren. Aber als ich diese Maschine das erste Mal in „Echt“ gesehen habe und (im Laden!) den Startknopf drücken durfte, war es komplett um mich geschehen: Quasi ein echter Oldtimer in neu, aber mit dem Komfort eines modernen Motorrades. – Das macht wirklich süchtig 🙂

    • Ja, lieber Jürgen, dass ist auch das, was ich bei Royal Enfield schätze: Das Oldtimer-Feeling ohne den ganzen Oldtimer-Stress plus zeitgemässe Sicherheit. Einzig bei den Instrumenten würde ich mir weniger Digital und mehr Analog wünschen. Leider geht Enfield hier den falschen Weg. Herzliche Grüsse aus der Schweiz 🇨🇭

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