Royal-Enfield-Herbst-Tour

Etappe 7: Zur Ökospassbremse werden – Greta-Thunberberg-Meme – Omas, Umweltsäue & schwanzlose Lurche

„Nur weil ich Greta-Thunberg-Meme nicht lustig finde, bin ich noch lange keine Ökospassbremse!“

Ärger liegt in meiner Stimme, denn genau dieser Verdacht entsteht gerade und es gelingt mir nicht ihn zu entkräften.

Meine Frau nickt mir mitfühlend zu. Wir befinden uns an der ligurischen Küste und spazieren am Strand von Savona. Virtuell agiere ich mit meinem iPhone in einer ganz anderen Gegend. Dort bin ich in der Motorrad-Facebook-Gruppe der Royal Enfield Buddys unterwegs.

Strand von Savona:
Virtuell in einer ganz anderen Gegend

Während sich im digitalen Raum die Situation zuspitzt, ziehen in der analogen Welt dramatische Wolkenbilder über den Himmel. Ich schaue über das graue Meer und in den kleinen, unruhigen Wellen spiegelt sich mein Gemütszustand. Die verfallene Villa im Hintergrund gibt dem Ganzen eine morbide Atmosphäre. Daneben stehen verlassenen Fabrikgebäude und vermitteln mir Endzeitstimmung. Hier und dort liegt Müll herum. Lauter kleine Mahnmale für eine Zivilisation, die sich auf den ökologischen Untergang zu bewegt. Das alles passt sehr gut zu dem Thema, das mich derzeit beschäftigt.

Endzeitstimmung:
Morbide Atmosphäre

In Gedanken rekapitulierte ich, wieso gerade jetzt meine Facebookreputation Schaden nimmt. Wieso gerate ausgerechnet ich in den Verdacht ein humorloser Gesinnungspolizist zu sein?

Ohne es explizit zu nennen, hat mir genau das Royal-Enfield-Facebook-Buddy Linneweber vorgeworfen.

Linneweber kommt ebenso wie ich aus der Gegend um Köln und unter Kölnern ist der Humor eine sehr ernste Sache. Humorverbote sind ein absolutes No Go. Die letzten, die das in Köln versucht haben, waren die Nazis. Und bei denen hört der Spass wirklich auf. Solange niemand den freiheitlichen, demokratischen Rechtsstaat stürzen will, die Menschenrechte negiert oder ein brutales Schreckensregime installieren möchte, sind alle Witze erlaubt. Vor allem in der rheinischen Hochburg des deutschen Karnevals.

No Go:
Humorverbote

Man darf sich über Greta Thunberg lustig machen und man darf diesen Humor doof finden. Man darf sich auch darüber streiten. Das alles ist OK. Es ist kein Grund dem anderen die Meinung zu verbieten. Es gehört sich nicht, anderen vorzuschreiben, was man lustig finden darf und was nicht. Davon bin ich zutiefst überzeugt. Entsprechend schockiert reagiere ich über diesen entscheiden Satz, denn der Royal-Enfield-Buddy Linneweber zu einem Post von mir schreibt:

„Ich glaub mit meinem altmodischen Brachialhumor muss ich mittlerweile schwer aufpassen.“

Wieso glaubt Linneweber, dass er bei mir mit irgendeiner Form von Humor aufpassen muss? Das Schlimmste, was ihm passieren kann, ist, dass ich nicht darüber lache. Und ob das wirklich schlimm ist, wage ich mal zu bezweifeln. OK, vielleicht gibt es einen kritischen Kommentar dazu, aber das geschieht immer wertschätzend.

Warum also werde ich hier als Ökospassbremse wahrgenommen?

Altmodischer Brachialhumor:
Warum werde ich als Ökospassbremse wahrgenommen?

Angefangen hat alles mit einem Beitrag des hochgeschätzten Motorradbloggers Gypsy Chimp. (1) Doch so sehr ich den Autor auch mag, so sehr beschleicht mich beim Lesen dieses Textes ein Unbehagen.

Der Beitrag ist wie gewohnt gut geschrieben und die Schlussfolgerungen scheinen auf den ersten Blick logisch zu sein. Aber im Subtext stimmt etwas nicht. Zwischen den Zeilen schwingt ein Unterton mit, der etwas Störendes hat.

Gypsy Chimp schreibt über ein Phänomen, das in motorradbezogen Foren und Facebookgruppen immer wieder Mal auftaucht: Greta-Thunberg-Meme. Das sind kleine Bildchen mit dem Konterfei der Klimaschutzaktivistin. Mittels Bildbearbeitung und Text werden die Fotos verfremdet und so in einen neuen Kontext gestellt. Das Ergebnis soll dann lustig oder gesellschaftskritisch sein. Am bekanntesten ist das Meme, in der man Greta Thunberg durch einen Türspion sieht. Darunter steht dann: „Mach die Tür auf. Wir müssen über dein Moped reden.“ Diese Vorstellung ist der maximale Alptraum für die Menschen, die zum einen eine innige Beziehung zu ihrem Motorrad pflegen und zum anderen den wissenschaftlichen Konsens der Klimaerwärmung nicht wahr haben wollen. Greta Thunberg kommt auf einen persönlichen Vorwurf vorbei, während Freitagsdemonstranten wie Zombies am Garagentor kratzen.

Fridays for Future:
Angst vor Zombies am Garagentor

Dieses Meme hat das Potenzial zu emotionalisieren. Der Verdacht, dass es von Trollen gepostet wird, ist somit nicht ganz von der Hand zu weisen.

Der Begriff Trolle bezeichnet Menschen oder Algorithmen, die mit ihren Inhalten andere emotional provozieren. Das machen sie, um sachliche Diskussionen zu unterminieren. Das Greta-Thunberg-Meme soll also die Motorrad-Community in Sachen Umweltthemen ein wenig aufmischen.

Ich mag diese Meme nicht und ich finde es auch nicht lustig. Trotzdem gehören es zur Kommunikationskultur in den Motorradgruppen. Es gehört genauso dazu, wie der reflexartige Widerstand gegen die Positionen von Umweltaktivisten. Der lässt sich bei einigen unter uns in einer solchen Regelmässigkeit beobachten, dass man es durchaus als Motorradfolklore bezeichnen könnte.

Für mich ist das OK. Ich stehe auf kulturelle Vielfalt und ich mag es, wenn Menschen mit unterschiedlichen Meinungen zusammenkommen. Vor allem schätze ich es, wenn wir trotz dieser unterschiedlichen Auffassungen friedlich und respektvoll miteinander umgehen. Das Beste ist aber, wenn auf dieser Basis eine konstruktive Diskussion zustande kommt.

Hier ist der Text von Gypsy Chimp gut, gerade weil er mir nicht behagt. Im Gegensatz zu den Greta-Thunberg-Meme, die einzig auf Emotionalisierung abzielen, gibt es bei dem Blogbeitrag handfeste Äusserungen, gegen die es sich argumentieren lässt. Und genau das schreibe ich Gypsy Chimp.

Greta-Thunberg-Meme:
Einzig auf Emotionalisierung abzielen

Darauf postet Linneweber seinen vernichtenden Satz. Linneweber, ne‘ echte kölsche Jung. Ein Mann, den ich wegen seiner Klugheit sehr schätze. (2) Ausgerechnet der schreibt mir, dass er durch meine Haltung zu Greta Thunberg Memes in seiner freien Meinungsäusserung beschränkt wird.

Ich versuche mich zu erklären, worauf er einen Link des Tagesspiegels postet. (3) In diesem Zeitungsartikel erklärt uns ein Satiriker, warum sich Dieter Nuhr über Greta Thunberg lustig machen darf. Meine Güte! Ich mag Dieter Nuhr genauso wenig wie ein Greta Thunberg Meme. Aber das heisst doch noch lange nicht, dass ich ihm seine Witzchen verbieten würde. Ich finde es sogar gut, dass der ausgebildete Lehrer sein Geld im rechtsbürgerlichen Humorsektor verdient. Besser man lässt Dieter Nuhr auf Gleichgesinnte los, als dass er im Schulbetrieb dem Engagement junger Menschen entgegen wirkt.

Lehrer Nuhr:
Besser auf Gleichgesinnte los lassen

Also versuche ich es noch einmal mit einer umständlichen Erklärung. Aber bei den Royal Enfield Buddys herrscht nun Funkstille. Ich bin hier am Strand von Savona definitiv zur Ökospassbremse mutiert.

Missmutig schlendere ich am Meer entlang und ich ärgere mich darüber, dass ich Greta-Thunberg-Memes nicht doof finden darf. Ich ärgere mich darüber, dass ich damit in den Verdacht der Intoleranz gerate. Was ist hier kommunikativ schief gegangen?

Vielleicht bin ich naiv, aber als Motorradfahrer ist mir Toleranz ein wichtiger Wert. Und diese Lektion habe ich nicht von Ethikexperten, sondern von einer Gruppe niederländischer Rocker gelernt.

Dabei war meine erste Begegnung mit dem Rockermilieu noch von Intoleranz geprägt. Während ein verlassener Schuh meine Aufmerksamkeit bindet, erinnere ich mich an diese Jugenderlebnisse.

Erinnerungen:
Ein verlassener Schuh bindet meine Aufmerksamkeit

Es war auf einem dieser Open-Air-Musikfestivals. Ein Kumpel hatte ein Souvenir dabei, dass ihm seine Schwester aus Mittelamerika mitgebracht hatte. Ich wollte es sehen und er hielt mir ein Tütchen voller mexikanischer Pilze vor die Nase. Die Kombination von Musik und Pilzgenuss, so versprach er mir, würde mein Bewusstsein kolossal erweitern. In meiner jugendlichen Einfalt glaubte ich ihm jedes Wort. Ich war damals unvernünftig, abenteuerlustig und experimentierfreudig. Ausserdem versprach mir mein Kumpel auf mich aufzupassen. Also kaufte ich ihm ein paar Pilze ab und ass das Zeug. Das, was dann kam, hatte aber nichts mit Bewusstseinserweiterung zu tun. Ich würde es eher als Bewusstseinsveränderung bezeichnen. Wobei ich damit masslos untertreibe. Zuerst verwandelte ich mich in eine menschliche Pflanze und dann war ich von der panischen Angst beseelt einem Vegetarier zu begegnen. Der Gedanke in Stücke zerhackt und mit Salatsauce verzehrt zu werden, machte mir ernsthafte Sorgen. Während meine Haut die Farbe und Struktur einer Gurkenschale annahm, bekamen meine Mitmenschen monsterähnliche Gesichtszüge. Eigenartigerweise ängstigte mich letzteres nicht. Im Gegenteil, es belustigte mich sogar. In dieser geistig eher desolaten Verfassung irrte ich über das Festivalgelände. Ich war eine Pflanze, die sich fortbewegen konnte, ein Umstand, der mich richtig begeisterte. Wenn ein Vegetarier kommen würde, konnte ich jederzeit die Flucht ergreifen. Damit hatte ich einen entscheidenden evolutionären Vorteil gegenüber all den anderen Gemüsesorten.

Jugendliche Einfalt:
Unvernünftig, abenteuerlustig und experimentierfreudig

In meiner Furcht vor imaginären Vegetariern lief ich einfach darauf los. Mein Kumpel hatte mich schon längst aus den Augen verloren. Von einem Festzelt drang heftiger Hardrock an meine Ohren. Ein wilder Motorradclub hatte sich dort samt ihren Bierdosen eingefunden. In meinem Rausch wirkten die Kerle wie Ungeheuer. Da es aber eindeutig keine vegetarischen Ungeheuer waren, suchte ich bei ihnen Schutz vor den vermeintlich gefährlichen Pflanzenfressern. Ich mischte mich unauffällig unter die Anwesenden und schaute in die Richtung, aus der die Musik kam. Vor mir stand ein hochgewachsener Muskelberg. Auf seiner Kutte prangte das Erkennungszeichen seines Motorradclubs. Ich beobachtete es fasziniert, denn es schien sich immer wieder zu verändern. Plötzlich spürte ich den Schalk im Nacken. Ich kann mich nicht mehr erinnern, was das Symbol darstellte, aber ich fand die Idee total komisch, wenn ich diese Ikonographie mit einem kleinen Penis verzieren würde. Leise vor mich hin kichernd, suchte ich in meinen Taschen nach einem dicken Filzschreiber. Ich hatte damals oft einen dabei. Aus einer Leidenschaft heraus verunzierte ich regelmässig Plakate mit lustigen Zeichnungen und pseudorevolutionären Parolen. Wo also war der verdammte Stift geblieben? Noch heute danke ich Gott dafür, dass ich kein geeignetes Schreibgerät dabei hatte. Nicht nur dass der Scherz – nüchtern betrachtet – ziemlich dämlich war. (4) Jeder Mensch hätte eine humorlose Reaktion des Rockers gut verstehen können. Und ob ich die Sache ohne bleibende Schäden überstanden hätte, war zu bezweifeln. Mit meinem vernebelten Geist aber spürte ich tiefe Enttäuschung. Das allerdings nicht all zu lange. Denn bald schon waren es die Buchstaben, die mich in ihren Bann zogen. Ich versuchte sie zu entziffern, aber die Worte auf der Kutte wollten sich meinem Pflanzenhirn einfach nicht erschliessen. Keine Spur also von Bewusstseinserweiterung. Ich war lediglich von einem legasthenischen Homo sapiens zu einer Pflanze mit Leseschwäche mutiert. Vielleicht bestand ja die Chance bei der Sesamstrasse als Schwachmatenkraut Karriere zu machen. In solchen Gedanken verloren, fuhr mein Zeigefinger über die Buchstaben und der Rocker muss diese Berührung gespürt haben. Sichtlich genervt drehte er sich um. Seine Frage stellte er in einem Tonfall, der ahnen liess, dass mein Finger nichts auf seinem Rücken verloren hatte.

„He, was geht denn hier ab?“

Ich versuchte diese Worte zu verarbeiten. Es gelang mir nur suboptimal. Für einen Moment überlegte ich, ob ich ihn drauf hinweisen sollte, dass ich doch keinen Penis auf seine Kutte gemalt hatte. Aber aufgrund seines grimmigen Blickes verwarf ich den Gedanken. Ich war mit der Situation überfordert. Also antwortete ich wahrheitsgemäss, dass ich keine Ahnung habe, was hier abgeht. Irgendwie muss ich diesen kräftigen Mann mit meiner Antwort provoziert haben. Denn plötzlich war ich eine entwurzelte Pflanze. Er hatte mich unter die Achseln gefasst und einfach hochgehoben. Während ich ihm eingeschüchtert in die Augen blickte, brüllte er mich unentwegt an. Der gewöhnungsbedürftige Mundgeruch, den er dabei verbreitete, war sehr eindrücklich. Inhaltlich habe ich nichts verstanden. Nur dass er sauer war, konnte man deutlich wahrnehmen. Und das Säuerliche betraf nicht nur seinen Atem. Vor allem seine Gemütsverfassung machte mir Sorgen. Vielleicht mochte er einfach keine menschlichen Pflanzen. Seine Kollegen schienen ebenfalls etwas gegen humanoides Gemüse zu haben. Denn mittlerweile brüllten mehrere Rocker mit ihm im Chor. Der Kumpel, der auf mich aufpassen sollte, suchte schon eine ganze Weile nach mir. Der Tumult brachte ihn dann auf die richtige Spur. Mit viel Feingefühl überzeugte er die aufgebrachten Männer, dass ich auf Grund einer Drogenpsychose absolut unzurechnungsfähig war. Von Drohungen und Flüchen begleitet, durften wir schlussendlich abziehen. Für den Rest des Tages versuchte ich Rockern und Vegetariern aus dem Weg zu gehen. Als ich wieder halbwegs klar denken konnte, verbuchte ich zwei wesentliche Lebenserfahrungen.

1.) Mexikanische Rauschmittel tun dem Hirn nicht gut. Und das hätte ich eigentlich schon vorher wissen müssen. Denn kürzlich war ich nach einer denkwürdigen Tequila-Nacht zu einem ähnlichen Schluss gekommen.

2.) Rocker reagieren bei inadäquatem Verhalten mit einem signifikanten Mangel an Akzeptanz und Toleranz. Man tut also gut daran, sich in ihrer Gegenwart höflich, anständig und normal zu benehmen.

Letztere Erkenntnis sorgte Monate später für ein mulmiges Gefühl in meiner Magengegend.

Ich hatte den Autoführerschein gemacht und war nun stolzer Besitzer einer Vespa mit 50ccm. Bei Rückenwind und Heimweh schaffte ich es auf 45 Kilometer pro Stunde. Nach niederländischem Recht hatte ich ein sogenanntes Bromfiets. Damit durfte man nicht auf Schnellstrassen fahren. Ich musste spezielle Wege für Fahrräder und Mopeds benutzen. Und auf einer Benelux-Frankreich-Tour machte ich das auch. Dumm war nur, dass viele Niederländer meinen schwer bepackten Roller nicht als Bromfiets erkannten. Und mit einem grossen Motorroller einen Fahrradweg unsicher zu machen, glich in Holland einem Sakrileg, selbst wenn dieser Fahrradweg für Bromfiets freigegeben war. Immer wieder wurde ich beschimpft und auf die Strasse verwiesen. Als man mich dann mit Steinen bewarf, war das zu viel für meine empfindsame Seele. Ich mochte die Niederländer und wollte ihnen auf keinen Fall auf die Nerven gehen. Da nahm ich dann doch lieber Ärger mit der Polizei in Kauf. Also benutzte ich verbotenerer Weise die Schnellstrasse. Dort wollte ich auf dem kürzesten Weg nach Belgien flüchten.

In meinem orangen Regenzeug sah ich auf der Vespa nicht sonderlich cool aus. Meine Gesamterscheinung hatte etwas durchaus Skurriles. So war ich auf einer Strasse unterwegs, auf der man schneller als 50 fahren musste und brauste dort mit meinen sagenhaften 45 Stundenkilometern.

Skurrile Erscheinung:
Nach Belgien geflüchtet.

Ich erinnere mich noch heute, wie von hinten ein unglaubliches Donnern und Röhren auf mich zu kam. Es waren unzählige schwere Motorräder. Im Rückspiegel sah ich, wie ein Chapter von der Grösse einer Kleinstadt zum Überholen ansetzen. Nach den Rocker-Erfahrungen auf dem Musikfestival war mir nicht mehr wohl in meiner Haut. Mit Johlen und Zurufen überholten mich die Jungs. Zu erst dachte ich, dass sie sich über mich lustig machten. Aber dann sah ich das Winken, die hochgesteckten Daumen und hörte die Freundlichkeit in ihren Worten. Ein schier endloser Strom von Motorrädern mit hartgesottenen Kerlen, die mir kleinem Mann auf meiner PS-schwachen Hämorrhoidenschaukel Respekt zollten. Ich war gerührt. Ihnen war egal, ob ich nun eine Harley oder eine Vespa fuhr. Es juckte sie nicht, ob ich Leder oder Textil trug. Es war ihnen Wurst, ob nun eine Kutte oder eine Leuchtweste an mir weht. Ich ging mit einer kleinen Vespa auf große Reise und damit hatte ich mir ihre Anerkennung verdient. Ich war ein leidenschaftlicher Fahrer motorisierter Zweiräder. Man begegnete mir aus diesem Grund mit Toleranz und Wohlwollen.

Das, was ich dort erlebte, beschrieb der Bildhauer und Philosoph Peter Wahl (5) sehr treffend. Ich begegnete im viele Jahrzehnte später zufällig in einem Restaurant. Wir kamen dort ins Gespräch und Peter Wahl berichtete mir von einem Phänomen, das er Seidenfäden des Schicksals nennt. Kurze Begegnungen, die einem widerfahren. Eine einzelne Bemerkung oder Geste, die einen – kaum merklich – wie ein Seidenfaden berührt und die dann einen Prozess auslöst. Einen Prozess, der dem eigenen Leben dann eine ganz spezielle Richtung gibt.

Ein solch schicksalhafter Seidenfaden streifte mich bei der flüchtigen Begegnung mit diesem Motorradclub.

Ich nahm mir damals vor den Respekt an andere Motorradfahrer- und Fahrerinnen weiterzugeben. Ich würde ihnen mit der gleichen Toleranz begegnen, die mir hier von diesen Rockern zu Teil wurde.

Seidenfäden des Schicksals:
Eine einzelne Bemerkung oder Geste löst einen Prozess aus

Bis heute ist mir das wichtig. Vielleicht kränkt mich deswegen Linnewebers impliziter Vorwurf der Intoleranz.

„Humor ist die Begabung des Menschen, der Unzulänglichkeit der Welt und der Menschen, den alltäglichen Schwierigkeiten und Missgeschicken mit heiterer Gelassenheit zu begegnen.“

So erklärt es uns Wikipedia. Royal-Enfield-Buddy Linneweber hat es in unserer Facebookauseinandersetzung folgendermassen auf den Punkt gebracht:

„Humor ist, wenn man trotzdem lacht.“

Aber manchmal mag ich einfach nicht lachen und manchmal will ich auch einfach nur sagen können, dass ich einen Witz doof finde.

Humor:
Einfach nur sagen können, dass ich einen Witz doof finde

Doof finde ich auch den Text von Gypsy Chimp. Am Abend nach einem wunderbaren Essen mit leckerem Fisch und diversen Meeresfrüchten sitze ich mit meiner Frau in einem kleinen Lokal. Wir haben gut gespeist und trinken nun einen vorzüglichen Weisswein. In meinen Eingeweiden werden Pasta, Krakententakel und andere Meerbewohner verdaut. Während die einen Zellen Eiweisse und Kohlenhydrate aufspalten, nehmen meine Synapsen den Text von Gypsy Chimp auseinander. Meine Frau lässt mich schwadronieren und hört still zu. Ich berichte ihr von der subtilen Diskreditierung der Greta Thunberg, die der Autor dadurch erreicht, dass er einzig ein fiktives Inszenierungskapital fokussiert und so den Eindruck erweckt, dass hinter der Ikone Thunberg vor allem finanzielle und persönliche Profilierungsinteressen stehen. Ich erzähle wie Gypsy Chimp mit einem simplen Taschenspielertrick die Anliegen der Klimaschützer als wissenschaftlich nicht ernst zu nehmend abtut. Er nennt eine einzige utopische Forderung, die von einem der jungen Menschen mit erfrischender Naivität auf ein Plakat gemalt wurde.

„Schafft die Fabriken ab“, steht dort geschrieben und Gypsy Chimp ereifert sich, dass sich eine solche Utopie nicht als Dissertationsthema eignet – zumindest nicht für angehende Ökologen und Ökologinnen. Dabei tut er so, als würden Dissertationen den geeigneten Rahmen für Utopien bieten. Wissenschaftliche fundierte Anliegen der Klimaschützer klammert Gypsy Chimp aus und verleitet die Lesenden auf diese Weise zu einem Röhrenblick. Und mit dem gleichen Röhrenblick adelt Gypsy Chimp die Autoren der Greta-Thunberg-Meme. Er schreibt von albernen Scherzen, mit denen sich die Autoren einzig über die Symbolmaschenerie Thunberg lustig machen. In diesem Sinne sind die Greta-Thunberg-Meme für ihn keine flachen Witzchen, sondern eine Art Bilderstürmerei mit Humor.

Bilderstürmerei mit Humor:
Mit Röhrenblick geadelt

Ich aber glaube nicht, dass sich hier feinsinnige Intellektuelle an einem humorvollen Bildersturm versuchen. Die würden das nicht so holzschnittartig machen.

Ich glaube eher, dass da rechte Agitatoren am Werk sind und dass dieser Umstand von Gypsy Chimp in seinem Beitrag verharmlost wird.

Der Journalist und Autor Patrick Stegemann (6) schreibt dazu:

«Umweltthemen sind in der letzten Zeit in der rechten Mobilisierung wahnsinnig beliebt, Greta ist der personifizierte Feind der Rechten.»

Wie gefährlich das ist, wird Monate später bei einem lustigen Liedchen des WDR-Kinder-Chor deutlich. Dort singen die Kids:

„Meine Oma fährt im Hühnerstall Motorrad. Das sind tausend Liter Super jeden Monat. Meine Oma ist ne‘ alte Umweltsau.“

Genauso wie ich Greta-Thunberg-Memes nicht lustig finden, mögen andere diesen Song nicht. Aber nicht nur das. In Facebooks Motorradforen kocht der Volkszorn hoch. Omas und Motorräder zu verunglimpfen geht dort gar nicht. Rechte Influencer sind hier auf eine Goldgrube gestossen und heizten die Stimmung ordentlich an. Es kommt sogar zu Morddrohungen.

In Köln – der Hochburg des freien Humors – müssen Nazis im Jahre 2019 keine Humorverbote mehr erlassen. Das macht der WDR-Intendant im Rahmen einer freiwilligen Selbstszensur. Die lustige Satire wird vom Netz genommen. Eindrücklich demonstriert der Intendant, wie man auch ohne Eier in der Hose (7) einen demokratischen Sender führen kann. (8) Artig entschuldigt er sich bei den Omas, den Motorradfahrern und all den anderen Empörten.

Lustiges Liedchen:
Rechter Mop und Morddrohungen

Nur wenige mutige Motorradfahrer unter uns stellen sich diesem Shitstorm entgegen. Auch wenn mir die freie Meinungsäusserung wichtig ist, bin ich nicht unter ihnen.

Ich halte meine Klappe, weil ich ein Feigling bin. Weil mich diese Morddrohungen ängstigen. Vielleicht sollte ich zusammen mit dem WDR-Intendanten ein Humorseminar für eier- und schwanzlose Lurche besuchen.

Freiwillige Selbstszensur und Schweigen:
Humorseminar für eier- und schwanzlose Lurche

Schlusswort

Die Herbsttour ist längst vorbei. Es ist Silvester. Die goldenen 20er 2.0 stehen vor der Tür. Ich erhebe mein Sektglas auf Gypsy Chimp und meinen Royal-Enfield-Buddy Linneweber. Beiden wünsche ich von Herzen alles Gute. Ich freue mich auf spannende Blogbeiträge und kluge Facebook-Posts. Auch auf Linnewebers altmodischen Brachialhumor. Mögen wir unsere Meinungen kundtun. Diskutieren wir sie, wenn nötig kontrovers. Mögen wir lachen. Ob nun über Greta Thunberg, Omas oder Umweltsäue. Lasst uns mutig für die Meinungsfreiheit einstehen. Mutiger, als ich es dieses Jahr getan habe. Seien wir uns bewusst, dass auch wir Umweltsäue sind. Und lasst uns trotz des Motorradfahrens achtsam und rücksichtsvoll mit unserer Umwelt umgehen.

Umweltsäue:
Trotz des Motorradfahrens achtsam und rücksichtsvoll handeln

Links & Anmerkungen

(1) Gypsy Chimp schreibt über Greta-Thunberg-Meme

(2) Beitrag über Royal-Enfield-Facebook-Buddy Linneweber

(3) Tagesspiegel: Jeder hat das Recht verarscht zu werden

(4) Kutte bemalen: Wikipedia klärt uns auf wie dämlich meine Idee war

(5) Seidenfäden des Schicksals: Bildhauer und Philosoph Peter Wahl

(6) SPIEGEL Online: Die Empörungsmaschine läuft heiß

(7) Feministinnen mögen mir diese Metapher verzeihen. Immerhin kenne ich Frauen, die mehr Eier in der Hose haben, als die meisten von uns Männern.

(8) SPIEGEL Online: Das Ende vom Lied

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Comments

  1. Ich kann nur Beipflichten. Soll jeder sich amüsieren über was er will, aber nicht auf Kosten von Minderheiten oder Schutzbedürftigen. Ein minderjährige Mädchen mit Behinderung gehört für mich zu letzterem. Der Verdacht der Rechtsmanipulation in Umweltthemen mittlerweile immer als erster auf der Hand. Die Rechten gehen das sehr unangenehm an: Sie heben ein Thema auf eine unglaubwürdige Fallhöhe an, beschreiben das Handeln der «Gegenseite» als Übermächtig (daher auch immer diese Religionsvergleiche aus dem Lager) um sich dann quasi als Widerstand darzustellen. Denn wo Unrecht… wissen schon. Ekelhaft, und dieser Blogbeitrag bringt das gut auf den Punkt, wie Menschen wie Linneweber oder Buhrow – die diese Mechanismen offensichtlich nicht verstehen oder bauchgefühlsmäßig einfach mitgehen – dem auf den Leim gehen.

    • Herzlich Dank für deine Rückmeldung, lieber Silencer. Ja, dass Agieren der Rechten empfinde ich auch als sehr unangenehm – nicht nur im Bereich der Umweltthematik. Da aber ganz besonders. Ihr Vorgehen dabei beschreibst du sehr gut.

      Viele Grüsse
      Thomas

    • Hei Silencer,
      die junge Frau Thunberg ist durch die im Hintergrund agierende PR Agentur zu einer Person des öffentlichen Lebens gemacht worden und als solche darf man sie durchaus satirisch durch den Kakao ziehen. Da is dann nix mehr mit Welpenschutz. Oder?
      Allerdings weiß ich nicht was im facebook so los ist, da ich mich da raus halte. Daß die Rechten das Klima Thema aufgegriffen haben, wird evtl. dafür sorgen daß sich viele besorgte Bürger nicht mehr an der Diskussion beteiligen, weil sie Angst haben in die falsche Ecke gedrängt zu werden. In dieser Ausgrenzung und Spaltung sehe ich eine gewisse Gefahr.
      LIEBEn Gruß

      • Hei Rudi,
        ändert alles nichts an den Tatsachen: Minderjähriges Mädchen. Muss jeder selbst entscheiden, was für eine Art «Humor» er da für angemessen hält, in jedem Fall sollte man immer schauen, vorher die «böse, aber voll lustigen Memes» so kommen. Wir Thomas gut ausgeführt hat, sind es gerade Rechte und Rechtsextreme, die sowas ins Netz stellen, um zu spalten. Unangemessen sind auf jeden Fall die Gewaltfantasien, in denen sich manche dem Kind gegenüber ergehen.

    • Hei Silencer,
      auf deine Antwort vom 13.1., kann ich nur sagen, damit hast du natürlich vollkommen Recht!
      LIEBEn Gruß

  2. Hallo Thomas,
    ich habe diesen Blogbeitrag, sehr aufmerksam gelesen.
    Zuerst recht erheitert, wurde ich doch zunehmend nachdenklicher.

    Da sieht man mal wieder, wie kritisch sich die verschiedenen Lager gegenüberstehen. Besser wäre es doch einander zuzuhören, Meinungen auszutauschen u. sich in Toleranz zu üben. Rechts-Links, solche Einstufungen lehne ich ab, sind sie doch eine erste Barriere um den anderen nicht verstehen zu wollen.
    Wir können doch alle nur bei uns selbst anfangen u. mit Eigenverantwortung unser zukünftiges Handeln neu definieren. Ich werde z.B. mehr mit dem Motorrad fahren, anstatt mit dem Auto oder das MTB benutzen, statt das Motorrad.
    Weniger heizen in der Wohnung u. mich entsprechend wärmer anziehen. Wo bezahlbar, unverpackte Lebensmittel kaufen u. keinen überbordenden Futtervorrat anlegen usw. und so fort.
    Das kann ich tun, aus den unsäglichen Diskussionen halte ich mich raus, die bringen mir nur inneren Unfrieden, damit lebt es sich nicht gut.
    Deswegen habe ich mich z.B. auch aus verschiedenen FB-Gruppen verabschiedet. FB werde ich wohl auch den Rücken kehren, das tut uns Menschen mitunter nicht gut, was da passiert.

    Man sollte sich mehr auf das langsame reale, als das schnelle virtuelle Leben konzentrieren u. zurück zu dem einfachen Leben finden.

    Der Begriff Klimaschutz sollte inhaltlich auch mehr Facetten bekommen, z.B. Arbeitsklima, Wohnklima, Luftklima, Lärmklima, Sozialklima…. dann wird das eher verstanden um was es insgesamt gehen sollte.

    Es beginnt eine Zeitenwende und einige spüren das mehr als andere u. das macht was mit uns Menschen.

    Ich möchte mit einem Zitat von Antoine de Saint-Exupery schließen:

    «Ich erkenne die Freundschaft daran, dass sie sich nicht enttäuschen lässt und ich erkenne die wahre Liebe daran, dass sie nicht gekränkt werden kann»

    Lg von deinem Freund mit dem RE-Gespann,
    Edi

    • Vielen Dank für deine Rückmeldung. Es ist schön, lieber Edi, dass du ganz konkret etwas tust und so deinen kleinen Beitrag leistest. Das mache ich auch. Ausser das mit dem weniger Heizen. Ich bin einfach eine Frostbeule. Ja, Klima ist ein weiter Begriff – ein schöner Gedanke von dir.

      Herzliche Grüsse
      Thomas

  3. Also dieser Text war mir zu lang und zu feinsinnig. Ich denke die meisten die eine Royal Enfield Classic fahren brauchen sich dafür nicht groß schuldig zu fühlen. Einfach weil sie nicht sehr viele Kilometer mit ihr zurück legen und das Motorrad lange besitzen.

    Wo mir schlecht wird ist der Flugverkehr. Thomas was braucht ein Linienflugzeug auf 100 Kilometer? Ca. 1000 Liter? Nein, das Umrechnenen auf den Einzelnen ist verboten. Und niemand würde so weite Strecken mit dem Auto fahren.

    Mir wird übel wenn die Leute dann mal eben so und auch mit Flugscham sogar in Deutschland fliegen weil sie ein paar Euro und Stunden sparen oder mal so eben nach Thailand. Was verbrennt ein einziger Flieger nach Thailand hin und zurück an Litern Benzin? Hundertausende. Keinen kümmert das. Sie reden von Flugscham. Aber das war es schon sie tun es trotzdem immer öfter. Milliarden Personen.

    • Vielen Dank für deine Rückmeldung, lieber Markus. Ja, das mit der Reduktion hat mal wieder nur suboptimal geklappt. 😀 Da muss ich noch daran arbeiten.

      Ich sehe jetzt die Royal Enfields dieser Welt auch nicht als das ökologisches Hauptproblem. Für den oder die Einzelne geht eher darum zu schauen wo man im kleinen etwas machen kann – wie man am eigenen Verhalten etwas ändern kann. So wie Edi das schreibt. Im Grossen geht es darum, dass im politischen, wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Bereich ein Bewusstsein für die massiven Probleme entsteht. Und es sind massive Probleme, die die Menschheit schon jetzt zu bewältigen hat.

      Was das Fliegen anbelangt, so ist das auch in meinen Augen hoch problematisch. Hier ist bei mir persönlich die Royal Enfield Classic ein ökologischer Vorteil. Denn am liebsten gehe ich nur dort in die Ferien, wo ich mit meiner Maschine am Boden bleiben kann.

      Herzliche Grüsse
      Thomas

  4. Hei Thomas,
    Wikipedia meint er sei einer. Aber stimmt das? In seinem Beitrag werden Zahlen genannt und Sachverhalte aufgezeigt die ich so nicht vermutet habe. Hast du ihn dir angesehen?
    LIEBEn Gruß

    • Lieber rudi rüpel

      Ja, ich habe ihn mir angesehen und auch den Kontext in dem er so publiziert. Immerhin ist das eine Empfehlung des von mir geschätzten rudi rüpel.

      Was die Zahlen anbelangt, so kann ich es nicht beurteilen. Die Art aber wie er die Information aufbereitet, löst bei mir ein Unbehagen aus. Mich beschleicht da das Gefühl, dass der Mann nicht seriös ist. Das alles hat etwas unangenehm manipulatives. Ein plakatives Gut-Böse-Schema. Ausserdem gibt es Positionen die ich problematisch finde.

      Ich vertraue diesem Informationskanal nicht.

      Herzliche Grüsse
      Thomas

      • Hei Thomas,
        mit deiner Einschätzung bezüglich Ken Jebsen hattest Du Recht.

        LIEBEn Gruß
        rudi

  5. Hei Thomas,
    danke für die Blumen und deine Antwort. Also ich vertraue nur mir selber, meiner Freundin und meinem Hund (wenn ich einen hätte) hahahaha. Manipulationen gibt es fast überall. Fragen helfen mir da oft, Fragen die ich mir selber stelle. Aber ich frage auch gerne meine Mitmenschen. Neulich habe ich zum Klima Thema sogar das Universum und den Planeten befragt. Die beachten mich nicht, die drehen sich nur um sich selbst, für die bin ich absolut uninteressant. Diese Erkenntnis wirkt außerordentlich beruhigend auf mich.
    Thomas eins möchte ich noch hinzufügen, dir vertraue ich natürlich auch.
    LIEBEn Gruß
    rudi rüpel

  6. Lieber rudi rüpel

    Ich glaube man muss Astrophysiker sein um vom Universum fundierte Antworten zu bekommen. Oder Philosoph. Oder einfälltig 😀. Ansonsten ist jede Information kritisch zu beurteilen. Da gebe ich dir recht.

    Herzliche Grüsse
    Thomas

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