Inspektion & Reflexion

Royal Enfield: Ölwechsel

Ein riesiger Vogel fliegt mir direkt ins Scheinwerferlicht und ich bremse scharf. Mit einem undefinierbaren Gereische verschwindet das Tier in der Dunkelheit. Ich hätte mir beinahe vor Angst in die Hose gemacht und das liegt nicht nur daran das meine Blase ziemlich voll ist. Wenn mir hier ein Tier ins Motorrad kommt, habe ich schlechte Karten. Ich bin auf einem einsamen Waldweg, oben in der Nähe des Albis und steuere auf Affoltern zu. Der Tag war warm, aber nun in der Nacht kriecht mir die Kälte tief in die Knochen. Im Dickicht am Strassenrand bewegt sich etwas grosses, längliches. Wahrscheinlich ein Fuchs. Ich fahre weiter in die Dunkelheit. Nach 200 Kilometern und leerem Magen will ich nur noch essen und dann ins Bett. Das aber ist noch weit weg. Es ist meine erste Nachtfahrt mit der neuen Royal Enfield. Ein anstrengendes Unterfangen, dass ich nicht mehr gewohnt bin. Früher hatte ich besser im Dunkeln gesehen. Aber immerhin ist mir hier oben, schon länger kein Autofahrer mehr begegnet. Licht, dass blendet ist einfach sehr unangenehm. Mit 60 km/h fahre ich durch die Nacht und nur die Käuzchen rufen gegen das Brummen des Motors an. Das Fernlicht der Enfield ist ausreichend, was mir Sicherheit gibt. Auch den Tachometer kann ich gut ablesen. Einzig der Kilometerstand bleibt im Dunkeln verborgen. Die steifen Finger in den Handschuhen spüre ich nur noch als Kribbeln. Vor ein paar Stunden auf der Autobahn hatte ich damit fest die Lenkergriffe umklammert. 110 km/h bin ich dort gefahren. Ebenfalls eine eher unangenehme Primäre auf der Maschine.

Royal Enfield: Auf der Hebebühne

Zuvor war ich bei JB Töffhandel in Happerswil. Dort habe ich die 1000-Kilometer-Inspektion machen lassen. Das war recht interessant. Die Arbeiten hatte der Auszubildende im Betrieb durchgeführt, ein aufgeweckter junger Mann. Er hat mir genau erklärt was er macht und wie er es macht. Technische Angaben, wie die Drehmomentwerte der verschiedenen Muttern und Schrauben wusste er auswendig. Sein Berufsschullehrer hätte sicher viel Freude gehabt, wenn er dabei gewesen wäre. Als erstes hat er das Öl abgelassen. Dafür muss der Motor warm sein. Nur so läuft das Schmiermittel gut in das Auffanggefäss. Unterhalb des Motorenblocks werden 4 Schrauben gelöst, oben die Ölschraube abgedreht und an der Seite der Ölfilterdeckel entfernt. Die Kupferdichtungen an den Schrauben tauscht man grundsätzlich aus. Die Gummidichtungen beim Ölfilter kontrolliert der angehende Mechaniker auf Unversehrtheit. Sind Sie gut, werden sie wiederverwendet. Der Ölfilter hingegen wird ersetzt. Während das Öl in eine Wanne läuft, reinigt er alle Teile, die wiederverwendet werden. Unter anderem auch ein kleines Sieb, dass er unterhalb des Motors entnommen hat. Das Öl kontrolliert der Auszubildende auf Fremdkörper. Er kann nichts Auffälliges finden. Die Schrauben zieht er unten mit 20 und am Deckel mit 14 Newtonmetern an. Am Deckel macht es der Auszubildende nach Gefühl, unten verwendet er einen Drehmomentschlüssel. Dann setzt er einen Trichter auf die Öleinlassöffnung. 2,5 Liter neue Schmierflüssigkeit der Marke Molly Liquid werden nun eingefüllt. 15w50 ist der angegebene Wert. Die Zahlen geben Auskunft über die Viskosität des Schmiermittels. Umso niedriger der erste Wert, um so flüssiger ist das Öl bei geringen Temperaturen. Der zweite Wert beschreibt die Flüssigkeit bei einer Temperatur von 100 Grad. Ich werde mir noch einen Liter Öl zusätzlich mitnehmen, damit ich zur Not immer etwas nachfüllen kann. Es ist von Vorteil, beim Dazugeben genau dasselbe Öl zu verwenden.

Royal Enfield: 2,5l Öl 15w50 der Marke Molly Liquid

Als nächstes wird die Speichenspannung kontrolliert. Dafür werden alle Speichen mit einem Schraubenschlüssel abgeklopft und der dabei entstehende Ton geprüft. Klingt eine Speiche sehr dumpf, ist sie locker. Jede Speiche gibt einen anderen Ton von sich und das hat seine Richtigkeit. Damit das Rad einen guten Umlauf bekommt sind sie unterschiedlich fest angezogen.

Speichenspannung: Klingt es dumpf ist die Speiche locker

Nun kontrolliert der Auszubildende den Luftdruck der Reifen. Dann wird die Kette geputzt und frisch gefettet. Mit einem Schraubenzieher hebt er die Kette leicht an und prüft das Kettenspiel. 2,5 cm sind optimal. Das Spiel wird am Hinterrad eingestellt. Das ist mit zwei seitlich angebrachten Schrauben an der Achse befestigt. Hinten gibt es auf jeder Seite je eine kleine Mutter mit Kontermutter. An ihnen wird das Kettenspiel feinjustiert.

Luftdruck: 2,3 Bar

Den Luftfilter reinigt man mit einem Gebläse. Alle beweglichen Teile, wie zum Beispiel die Ständer und Schlösser werden kontrolliert und geschmiert. Dann widmet sich der Auszubildende der Elektrik und prüft alle Lämpchen, den Lichtstand und macht noch ein paar andere Arbeiten, die unten in den Vorgaben beschrieben sind. Zum Schluss putzt er die Maschine und bittet den Werkstatteiter um die Abnahme und die Probefahrt. Alles ist OK und ich bin zufrieden.

Royal Enfield: Zündschloss schmieren

Neben der Inspektion habe ich meinem Motorrad einen Gepäckträger spedierte. Der schadet zwar der Optik, ist aber enorm praktisch. Die Rückspiegel wurden auch ausgetauscht. Nun sehe ich nicht mehr meine Schultern, sondern den Verkehr hinter mir, was auch sehr nützlich ist. Doof nur, dass es der Euro-Norm entsprechende Spiegel nur mit Kunststoffschalen gibt. Metall wäre mir lieber. Aber die Originalteile waren auch nicht massiv. Ebenso sind die Blinker aus verchromtem Plastik. In Sachen Zubehör sieht es diesbezüglich bei Royal Enfield eher mager aus.

Royal Enfield: Ohne Gepäckträger sieht sie schöner aus.

Mittlerweile habe ich das Tal erreicht. Ich kämpfe gegen das Frieren und die Müdigkeit an. Meine Blase ist kurz vor dem platzen. Aber allein schon der Gedanke jetzt in die lausige Kälte zu pinkeln verursacht bei mir Brennen in der Harnröhre. Die Strasse verläuft gerade. Gelegentlich blendet mich ein entgegenkommendes Auto. Ich schaue dann leicht seitlich. Links und rechts werden die Felder von der Dunkelheit verschluckt. Etwas mehr als 1200 müsste der Kilometerzähler jetzt zeigen. Zeit für eine Reflexion: So als Alltagsfahrzeug, mit dem man mal eben über mehrere Kantone pendelt, ist die Enfield nicht geeignet. Bahnfahren wäre jetzt definitiv effizienter und angenehmer. Wenn ich ehrlich zu mir bin, brauche ich weder die Kälte, die Müdigkeit, noch eine Harnwegsentzündung. Aber wie singt Marius Müller Westernhagen so schön: „Geiler ist es schon.“ Während ich das denke huscht eine Katze über die Straße und schon wieder hätte ich mir vor Schreck beinahe in die Hose gemacht. Ich fasse einen heroischen Entschluss und erleichtere mich fröstelnd am Straßenrand. Ohne Blasenentzündung – geht doch. Teil Zwei der Reflexion: Vielleicht wird die Enfield aus mir, dem verweichlichten Bahnfahrer, doch noch einen halbharten Mann machen.

Royal Enfield: Den Luftfilter reinigen

Vorgaben von Royal Enfield für die Tausend-Kilometer-Inspektion

  • Engin Oil: Replace
  • Engin oil filter element: Replace
  • Engin sump filter (oil streamer): Clean
  • Magnetic drain plug under gearbox: Clean
  • Secondary drain plug under crankshaft in crankcase right: Clean
  • Spark plug: Adjust
  • HT lead: Inspect
  • Fuel hose: Inspect
  • Fuel Pump: Inspect
  • Accelerator cable play: Adjust
  • Ruber hose, Air Filter to Throttle body: Inspect
  • Ruber hose, Inlet manifold/Adaptor: Inspect
  • Airfilter paper element: clean
  • Real brake pedal pivot: Lubricate
  • Batterie terminals (apply petroleum jelly): Clean
  • Battery Elektrolyte level: Inspect
  • Real Wheel Drive Chain: Lubricate & Adjust
  • Steering ball races play: Inspect
  • Spikes tightness/ Wheel rim run oft front & rear: Inspect
  • Pivot-Side Stand, Center Stand, Pillion Foot Rest: Lubricate
  • Tyre wear pattern (Front & Rear)
  • Front Disc Brake Oil Level check: Inspect
  • Evaporative Emission Equipment rubber hoses: Inspect
Royal Enfield: Das Rad lösen, um das Kettenspiel einzustellen.

Links

Royal Enfield: Kettenspiel feinjustieren

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Royal Enfield: Ölfilter
Royal Enfield: Ölfilter wechseln
Royal Enfield: Schrauben die beim Ölwechsel gelöst werden

Comments

  1. Hallo & guten Morgen Thomas,

    wieder ein sehr schönes, informatives u. auch bisweilen stellenweise etwas melancholisches «Softabenteuer». 🙂
    Die Werkstatt sieht sehr ordentlich u. aufgeräumt aus, so mag ich das auch. Sehr fein.
    Ja, ich habe inzwischen bei meinen Entschleunigungstouren auch bemerkt, das man auf einer Zeitmaschine sitzt, was aber ja für mich weitaus wichtiger war, als weiter zu rasen auf modernen x-beliebigen Maschinen.
    Den Service mache ich selbst in meiner Garage, einmal um etwas Geld einzusparen u. andererseits auch etwas mein Bulletgespann besser kennenzulernen u. Zeit habe ich genug.
    (gut, mein Gespann ist ja auch bereits fast 3 Jahre alt… u. Garantie ist nur noch ein Wort)
    Seit dem ich einmal Nachts gefahren bin, habe ich eine stärkere H4-Birne eingesetzt u. bei Sonne lassen sich ja die Kontrolleuchten im Tacho recht schlecht ablesen.
    Diese habe ich ersetzt durch wattstärkere Exemplare bzw. Led.

    Anmerkung:
    Ab 28.6.-So. ist in Domat/Ems das 4. Int. Gespanntreffen,
    (www.crestas-biker.ch) dort werde ich dann auch mein Zelt aufschlagen u. schauen ob ich halbhart oder doch eher halbzart geworden bin mit nun 58 Lenzen.
    Wenn Dir danach ist, komm einfach vorbei bzw. komm mit.

    Es grüßt Dich freundlich dein halbharter Freund, Edi.

    • Vielen Dank für deinen Kommentar, lieber Edi. Ich schaue mal, ob es sich einrichten lässt. Ansonsten treffen wir uns in der Nähe von Schaffhausen. Ich wünsche dir viel Spass beim Zelten. Auf das der Rücken nicht schlapp macht.
      Herzlich
      Thomas

  2. Sehr schön geschrieben und Illustriert! Ich weiss nicht, ob mein Werkstatt das erlaubt hätte. Die müssen etwas an ihre Kunden-Freundlichkeit arbeiten!
    Was ich nicht feststellen könnte, war ob dir das Fahren Spaß macht oder nicht. Nachts ist natürlich etwas anstrengender als Tags zu fahren, hat aber auch seine Reize. Hier in Brandenburg ist extrem Vorsicht geboten, da es so viele Wildschweine gibt. Ich fahre oft frühmorgens zur Arbeit, wenn es noch dunkel ist, und da fahre ich Recht langsam.
    Ich finde auch, daß deine Maschine sieht richtig gut aus mit dem Gepäckträger. Passt perfekt zu so einen Arbeitstier, und ist so praktisch.
    Allzeit gute Fahrt!
    David

    • Vielen Dank für die spannende Rückmeldung, lieber David. Brandenburg steht auf meiner Royal Enfield Reisewunschliste. Die Begegnung mit einem Wildschwein dort, stelle ich mir sehr gefährlich vor.

      Danke auch für das schöne Kompliment zum Motorrad. Ohne Gepäckträger kann ich mir das Fahrzeug schon gar nicht mehr vorstellen. Ich brauche ihn regelmässig.

      Mit JB Töffhandel bin ich sehr zufrieden und freue mich, dass ich dort fotografieren darf. Vor allem schätze ich, dass man mir dort immer alle Fragen beantwortet und mir das, was ich wissen will genau erklärt.

      Wenn ich nicht gerade, hungrig und übermüdet bin, fahre ich extrem gerne und ein anderes Motorrad als die Enfield kommt für mich nicht in Frage. Es ist mein einziges Fahrzeug und ich nutze es fast jeden Tag.

      Dir auch gute Fahrt!

      Herzlich Thomas

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